Gott und das Leiden by Meik Gerhards

Gott und das Leiden by Meik Gerhards

Autor:Meik Gerhards
Format: epub
Herausgeber: Peter Lang AG
veröffentlicht: 2017-09-26T00:00:00+00:00


c) Der ansprechbare Gott

Die Begründung einer Grund-Gewissheit Gottes im Sinne eines theistischen Idealismus bezieht sich auf Gott, insofern er philosophisch erkannt werden kann. Das Hiobbuch spricht aber – wie die Bibel überhaupt – von Gott als lebendigem Gegenüber. Gott ist für Hiob nicht nur eine Denkmöglichkeit oder eine existentiell begründete Gewissheit – Gott ist ansprechbar, er reagiert auf Hiobs Klagen und auf Hiobs Herausforderung. Indem also eine Beziehung zwischen dem unfassbaren Gott und einem einzelnen Menschen als möglich gilt, sprengt das Hiobbuch wie viele andere biblische Texte die Denkmöglichkeiten der Philosophie.

Wie zentral der Aspekt der Beziehung zu Gott ist, geht auch aus dem Urteil über Hiob und seine Freunde in 42,7 hervor: Hiob wird von Gott gelobt, weil er recht getan hat, indem er an der Sprechrichtung zu Gott, also am Gebet, und damit an der Beziehung mit Gott festhielt – die Freunde werden getadelt, weil sie es beim Reden über Gott beließen und sich damit gegen die Möglichkeit wirklicher Gottesbegegnung abschirmten. Indem er am Gebet festhielt, hatte sich Hiob der Möglichkeit ausgesetzt, dass Gott sich ihm offenbart, und zwar auch anders als es seinen Erwartungen und Wünschen entspricht; demgegenüber hatten die Freunde Gott in den Bau ihrer geistigen Welt eingesperrt.

Auch dieser Aspekt ist im Gespräch mit der Philosophie über die Frage nach Gott und dem Leiden zu beachten. Dass das Hiobbuch philosophische Denkmöglichkeiten sprengt, gilt schon deshalb, weil Gott für die Philosophie zunächst ein Gegenstand des Nachdenkens und der Lehre ist. Damit ist der Philosophie, sofern sie sich mit Gott beschäftigt, die Neigung mitgegeben, es beim Reden ← 233 | 234 → über Gott zu belassen. Das gilt auch dann, wenn ein Philosoph wie Jaspers betonen kann, dass das „Gedankenwerk“ nur das Halbe sei und die Philosophie erst in der existentiellen Umsetzung zur vollen Wahrheit finde.724

Im Licht des Hiobbuches besteht eine Analogie zwischen philosophischen Ausführungen über Gott und den Reden von Hiobs Freunden. Beckermanns Voraussetzungen – das eng definierte Gottesbild verbunden mit dem Postulat, dass die Welt widerspruchslos auf ihren Ursprung von dem so definierten Gott hin transparent sein muss – erinnern formal, also bei allen inhaltlichen Unterschieden und trotz ganz anderer argumentativer Stoßrichtung, an die festen Vorstellungen von Hiobs Freunden. Im Licht von Hi 42,7 bleibt zu ergänzen, dass zu dem Gottesbild, das Beckermanns Argumentation zu Grunde liegt, zwar die Personalität Gottes gehört, die besagt, „dass wir mit ihm reden können“725, allerdings bleibt auch das Theorie: Soweit seine Ausführungen erkennen lassen, öffnet sich Bekermann dem Gespräch mit Gott nicht wirklich726. Damit bleibt auch seiner Argumentation die Möglichkeit einer Antwort oder Selbsterschließung Gottes erspart. Die Möglichkeit, dass sich Gott in einer Weise erschließen könnte, die mit den vorausgesetzten Gottesattributen nicht hinreichend zu erfassen ist, oder die dazu nötigen könnte, das Postulat einer widerspruchsfreien Transparenz der Welt auf ihren möglichen göttlichen Schöpfer hin aufzugeben, bleibt außer Acht.

Wenn man sich für die Grund-Gewissheit Gottes als Schöpfer öffnet, wird man nicht an seiner Allgüte zweifeln – öffnet man sich aber ernsthaft einer Beziehung zu diesem Gott und wagt es, im Sinne des



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